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Vollkasko-Pflege: Darf‘s noch etwas mehr sein? Ein weiteres „Jahr der Pflege“ ist vergangen —und die nachhaltige Finanzierung der Pflege steht immer noch aus. Das gilt für die Deckung der bislang nach SGB XI gewährten Pflegeleistungen — und erst recht für die Aufbringung der notwendigen Investitionen — vor allem in der stationären Pflege. Hier zieht sich der Staat selbst immer mehr zurück, ohne jedoch zugleich die Weichen für die notwendigen privaten Investitionen zu stellen. Die unterschiedliche Refinanzierbarkeit von Grundstückskosten je nach Art des Eigentums ist nur ein Beispiel unter vielen. Umso erstaunlicher die kürzlich erhobene Forderung der Dienstleistungs-gewerkschaft Ver.di nach einer gesetzlichen umlagefinanzierten Vollkasko-Pflegeversicherung. Die soll laut einem von Ver.di in Auftrag gegebenen Gutachten „alle Leistungen, die notwendig, wirtschaftlich und zweckmäßig sind“ sowie zusätzlich auch „Leistungen der Teilhabe“ und „nicht nur Leistungen der Pflege im engeren Sinne“ abdecken. Und das Ganze soll Stand 2010 nur 0,7 Beitragspunkte mehr kosten… Das klingt märchenhaft und leider zeigt schon der erste Blick, dass die vorgelegten Zahlen nicht belastbar sind. Die künftige Kostenentwicklung wird komplett ausgeblendet—ebenso die zu hinterfragenden Anreizwirkungen des Vorschlages. Kurz gesagt: Statt solchen wohlfahrtsstaatlichen Adrian Ottnad |
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Pflegereform 2012 beschlossen: Am 21. September 2012 hat nach dem Bundestag nun auch der Bundesrat das Pflegeneuausrichtungsgesetz (PNG) verabschiedet. Damit können einige wichtige Verbesserungen u.a. für Demenzkranke in Kraft treten. Doch die Lösung grundlegender Strukturprobleme – besonders die Sicherung einer nachhaltigen Finanzierung und klare ordnungspolitische Konturen – ist der Gesetzgeber – erneut – schuldig geblieben. Damit hat sich die bereits früher an dieser Stelle geäußerte Skepsis bestätigt. So stellt der „Pflege-Bahr“ zwar endlich die Weichen hin zu einer (ergänzenden) privaten Vorsorge, doch seine konkrete Ausgestaltung gefährdet einen nachhaltigen Erfolg von vornherein. Die langfristigen Finanzierungsprobleme der sozialen Pflegeversicherung bestehen unvermindert fort — trotz einer aktuell günstigen Einnahmenlage der Sozialversicherung (SPV) insgesamt. Die neuerliche Erhöhung des Beitragssatzes dient lediglich der Finanzierung zusätzlicher Leistungen. Sie verringert daher nicht die bestehende langfristige Deckungslücke der SPV. Adrian Ottnad |
Trügerische Sicherheit: Die am 11.1.2013 vom Statistischen Bundesamt vorgelegten Ergebnisse der Finanzstatistik bestätigen nachdrücklich meine wiederholt geäußerte Warnung, dass die überdurchschnittlich günstige Finanzentwicklung der Sozialversicherung während der letzten Jahre nicht den Blick für die ungelösten strukturellen Finanzierungs-probleme der sozialen Pflegeversicherung verstellen darf. In den ersten drei Quartalen von 2012 hat die soziale Pflege-versicherung ein Defizit von 200 Millionen Euro ein-gefahren, obwohl die Sozialversicherung insgesamt einen konsolidierten Finanzierungsüber-schuss von fast 6 Milliarden Euro erzielte. Wie in den Vorjahren profitierte die Sozial-versicherung insgesamt von einer deutlich gestiegenen Beschäftigten-zahl und vergleichsweise hohen nominalen Einkommens-zuwächsen der Beitrags-zahler. Ursächlich waren die vorangegangenen Strukturreformen und die überdurchschnittlich gute Konjunktur in Deutsch-land. Letztere ist allerdings auch durch eine bedenkliche Ausweitung der Staatsverschuldung und der Geldmenge erkauft worden. Außerdem wurden die Beitragssätze in den letzten Jahren trotz der erzielten Überschüsse nicht oder erst mit Verzögerung gesenkt. Die Finanzierungsüber-schüsse der Sozial-versicherung entstanden daher vorrangig auf der Einnahmenseite. Den höchsten Einnahmenzuwachs aller Sozialversicherungs-zweige erzielte mit einer Steigerungsrate 3,6 Prozent gegenüber dem Vorjahresvergleichszeit-raum die soziale Pflegeversicherung. Dennoch schloss sie als einziger Sozial-versicherungszweig mit einem Defizit ab, weil ihre Ausgaben gleichzeitig um 4,4 Prozent anstiegen. Dabei stehen die echten demographischen Herausforderungen erst noch bevor. Außerdem sinkt seit der letzten Anpassung der reale Wert der Leistungssätze wieder deutlich. Ein fortlaufender Ausgleich des Wertverlustes (Dynamisierung) hätte bereits jetzt ein weitaus höheres Defizit zur Folge gehabt. Mit anderen Worten: Dass das Defizit der Pflegeversicherung heute niedriger liegt als noch vor wenigen Jahren, kann und darf keinesfalls beruhigen. Vielmehr unterstreicht die Tatsache, dass selbst in einer außergewöhnlich günstigen Einnahmen-situation die Ausgaben schneller als die Einnahmen gestiegen sind, die strukturelle Schieflage der sozialen Pflegeversicherung. Bei einer Rezession, die auch beim jetzigen Wachstumszyklus früher oder später eintreten wird, würde das jährliche Finanzierungsdefizit schnell wieder einen Milliardenbetrag erreichen. Adrian Ottnad Januar (2013) |
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